Forst BW 'räumt' auf / Groß angelegte Durchforstungsmaßnahmen im Staatswaldteil des Käfertaler Waldes Mannheim

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Forst BW 'räumt' auf / Groß angelegte Durchforstungsmaßnahmen im Staatswaldteil des Käfertaler Waldes Mannheim

Kräuter- u. Naturwanderungen Markus Schrade
Veröffentlicht von Markus Schrade in Natur und Umwelt · 12 Januar 2024
Tags: DurchforstungKäfertalerWaldHarvesterZerstörungAuflichtung
Nachdem im Dezember 2022 die AöR Forst Baden-Württemberg (ForstBW) eine sogenannte Umbaufläche (im nördlichen Teil) im Staatswald im Kahlschlagverfahren angelegt hatte, erfolgten nun Anfang 2024 groß angelegte Durchforstungsmaßnahmen im nahezu ganzen nördlichen Staatswaldgebiet („Neuwald“) innerhalb des Käfertaler Waldes.

Auch wenn es sich überwiegend um Kiefernkulturen handelt, sind die Anblicke nur schwer zu ertragen. Bilder der Zerstörung wo man hinguckt. Mit Harvestern wurden etliche Rückegassen und Schneisen von Nord nach Süd und von Ost nach West durch den Neuwald gezogen und es wurden riesige Mengen an (Kiefern-)Stangenholz herausgeholt bzw. ‚geerntet‘. Dadurch wurde der Neuwald extrem aufgelichtet und der befahrene Boden schwer beschädigt. Da zum Befahrungszeitpunkt zumindest der Oberboden vergleichsweise feucht war, wurde dieser besonders stark verdichtet. Somit haben nun invasive Neophyten wie Spätblühende Traubenkirsche (Prunus serotina) und Amerikan. Kermesbeere (Phytolacca americana) die besten Voraussetzungen, um sich auch hier auszubreiten. Oder auch das heimische Land-Reitgras (Calamagrostis epigejos), welches innerhalb kurzer Zeit solche Störstellen in Beschlag nehmen kann. Also gerade die Arten, die aufgrund ihrer negativen Auswirkungen unerwünscht sind, werden gefördert. Aus dem jungen Stangenholz werden minderwertige Produkte mit einer kurzen Umlaufzeit (wie Paletten) hergestellt. Demzufolge ist hier keine lange Kohlenstoffbindung, von der so oft die Rede ist, gegeben.

Leider hat man hier auch nicht vor dem europäischen Natura 2000-Schutzgebiet haltgemacht und in diesem teilweise durchforstet. Dabei wurde auch ein kleiner Mischbestand mit Buchen schwer geschädigt bzw. aufgelichtet. Mehrere, noch recht junge Buchen wurden herausgeholt, die dann letztlich zu Brennholz verarbeitet werden. Also auch hier keine langlebige/hochwertige stoffliche Verwendung. Nun fehlen diese Buchen in Form von Alt- und Totholz als wertvoller Lebensraum für diverse Arten. Die verbliebenen Buchen sind nun ohne den Schutz der Nachbarbäume der vollen Sonne ausgesetzt und geraten noch mehr unter Hitze- und Trockenstress, als sie es ohnehin schon waren/sind. Aufgrund der Schädigungen von Boden und Wurzeln ist die Wasseraufnahmefähigkeit nun extrem gestört. Als Ergebnis dieser Umstände ist zu erwarten, dass diese Buchen in den kommenden Jahren nach und nach absterben werden! Soll das die „ ordnungsgemäße Forstwirtschaft“ sein, von der immer die Rede ist?!?

Immerhin wurde der östliche Teil (zwischen Sandtorfer Allee und Grenzschneise), der überwiegend aus +/- naturnahen Buchenmischbeständen aufgebaut ist, verschont. Ansonsten hat man die verschiedenen (jungen) Eichen-Monokulturen in Ruhe gelassen, was auch zu erwarten war. Ansonsten wurde des Weiteren in gesetzlich geschützte Biotope eingegriffen! Dabei wurden diese schwer geschädigt oder komplett zerstört.

Folgende Schutzgebiete bzw. Biotope sind betroffen:

  • Landschaftsschutzgebiet Käfertaler Wald

  • Natura 2000: FFH-Gebiet 6617-341 Sandgebiete zwischen Mannheim u. Sandhausen

  • Sandmagerrasen O Mannheim-Blumenau, Biotop-Nr. 264162220300
    Nach BNatSchG geschützt als Trockenrasen und Borstgrasrasen
    >>> Durch Überlagerung mit Holzpolter völlig zerstört!

  • Harznutzungsbestand in Gewann Brunnenschläge, Biotop-Nr. 264172220041
    Nach §30a LWaldG geschützt als Wälder als Reste historischer Bewirtschaftungsformen.
    Des Weiteren sind folgende Waldfunktionen hinterlegt: Bodenschutzwald, Erholungswald, Immissionsschutzwald, Wasserschutzwald.

  • Pflanzenvorkommen Neuwald O-Blumenau, Biotop-Nr. 264162225581
    (nicht gesetzlich geschützt
    )


Darüber hinaus ist der gesamte Käfertaler Wald eigentlich als Erholungswald ausgewiesen und eben nicht als Wirtschaftswald! Von Erholung keine Spur, weder hier noch im angrenzenden Kollekturwald der Stiftung Schönau, der jedes Jahr um mehrere Hektar abgeholzt wird. (Siehe auch https://www.wald-mannheim.de/aktuelles/die_zerstoerung_des_kollekturwaldes_mannheim_geht_2023_in_die_dritte_runde/)
Diese eigentlich übergeordnete Funktion scheint ForstBW nicht zu interessieren. Man betrachtet den Wald offenbar, wie auch sonst überall im Land, in erster Linie als Wirtschaftswald bzw. Rohstofflager und folgt dem alten Primat der Holzproduktion, selbst wenn diese unwirtschaftlich ist und letztlich mit Steuergeldern ‚subventioniert‘ werden muss.
Bereits 1990 hat das Bundesverfassungsgericht festgehalten, dass dem Körperschafts- und Staatswald eine besondere Bedeutung in Bezug auf Umwelt und Erholung zukommt.

Zitat vom 31.05.1990 in der Urteilsbegründung (2 BvR 1436/87 S.39):
…Neben den wirtschaftlichen Nutzen des Waldes tritt gleichrangig seine Bedeutung für die Umwelt (vgl. §§ 1.6 des BGBl. S. 1037). Die Bewirtschaftung des Körperschafts- und Staatwaldes, der 58 % der Waldfläche in der Bundesrepublik ausmacht, dient der Umwelt- und Erholungsfunktion des Waldes, nicht der Sicherung von Absatz und Verwertung forstwirtschaftlicher Erzeugnisse. Die staatliche Forstpolitik fördert im Gegensatz zur Landwirtschaftspolitik weniger die Betriebe und die Absetzbarkeit ihrer Produkte als vielmehr die Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes.“

Leider wird dieses Urteil von der staatlichen Forstpolitik und ForstBW (sowie weiteren Waldeigentümern und -bewirtschaftern) immer wieder ignoriert bzw. mit „mit Füßen getreten“. Ob im Schwarzwald, Odenwald, der Schwetzinger Hardt oder sonst wo im Ländle. Die hier im Käfertaler Wald geschaffenen Tatsachen sind in erster Linie auf Holzproduktion ausgelegt. Zudem sind Art der Eingriffe und die Vorgehensweise bzw. Methodik nicht vereinbar mit Grundsätzen der Nachhaltigkeit, weder im ökologischen noch im ökonomischen Sinne. Nach außen hin äußert ForstBW z.B. Folgendes:* „ForstBW arbeitet im Staatswald streng nach den Grundsätzen der nachhaltigen, multifunktionalen und naturnahmen Waldbewirtschaftung.“
Viele solcher wohlklingenden Statements sind in den unterschiedlichen Publikationen zu finden. Jedoch sieht die Realität anders aus. Theorie bzw. eigene Ansprüche und Praxis könnten widersprüchlicher nicht sein. Die genannten Grundsätze sind nicht mehr als Floskeln. Zudem sei noch gesagt, dass der immer wieder auftauchende Begriff „Multifunktionale Forstwirtschaft“ eine Mär ist. Diese gibt es faktisch nicht und kann es aufgrund der vielen unterschiedlichen Anforderungen an den Wald auch nicht geben! Hört sich aber halt gut an. Der hier geschilderte Fall im Käfertaler Wald belegt dies eindrücklich und ist leider nur ein Beispiel von vielen.

Was muss noch alles geschehen, dass die (Landes-)Politik und Aufsichtsrat von ForstBW endlich aufwachen und mal ihre ‚Hausaufgaben‘ machen? Wie viele Waldfrevel müssen der Wald und wir (erholungssuchende BürgerInnen) noch ertragen? Wie weit will sich die Forstwirtschaft noch der Maschinenindustrie unterordnen bzw. wie weit will man noch den Wald den Großmaschinen unterordnen? Wieviel Raubbau an der Natur muss noch erfolgen, dass auch der letzte kapiert, dass es so nicht weiter gehen kann? Wann…..??


*Quelle: Nachhaltigkeitsbericht 2022 auf https://www.forstbw.de/forstbw/unternehmensverantwortung/jahresabschluesse/


Die folgenden Bilder wurden am 04.01 und 06.01.2024 aufgenommen und sollen erste Eindrücke vermitteln. (Der Autor hat hunderte mehr davon. Für ein paar Infos u. Vergößerung auf die Fotos klicken.) Wer gute Nerven hat und das ganze Ausmaß ‚bestaunen‘ möchte, möge bitte in den ‚Wald‘ bzw. was davon übrig ist, gehen. Gerne auch Vertreter aus Politik, Verwaltung, Medien.

  

  

  

  

  

  

  

  

  

  



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